Yaneqdoten: Drinking & Driving

Yaneq erzählt von angetrunkenen und bekifften Geschäftsmännern,

die dennoch Haltung bewahren und davon wie ihm selbst bei einer Begegnung mit Staatsbeamten der Beweisführung ein Schnippchen schlagen konnte.

Sein wir ehrlich: Wer in Berlin Auto fährt, tut das auch, wenn er mal betrunken ist. Zumindest derjenige Teil Berliner, der sich zur Clubszene zählt und Auto fährt. Natürlich gibt es solche und solche Alk-Fahrer. Jeden zweiten Tag liest man in der BZ von irgendeinem Hohenschönhausener Raser, der einen Fahrradfahrer umgenietet hat. Was ich davon halte, kann man in der letzten Yaneqdote lesen.
Ich kenne aber auch einen erfolgreichen Geschäftsmann, der seine schwarze Limousine nach Einbruch der Dunkelheit grundsätzlich angetrunken und bekifft manövriert und ich kann eine gewisse unvernünftige Bewunderung nicht leugnen. Die Bewunderung liegt auch in dem Umstand begründet, dass dieser Mann seine Agentur, mit immerhin um die 30 Mitarbeitern, bekifft führt, jeden Morgen sein erstes Horn raucht und jeden Abend trinkt, ohne zu vergessen, was er wem gesagt hat und was wer ihm gesagt hat. Ich bewundere also eigentlich seine Konzentrationsfähigkeit und auf diese kommt es an, will man unverletzt und ohne jemanden anders zu verletzen betrunken durch den Verkehr manövrieren.

Fast genauso wichtig, wie keinen zu verletzen, ist es von der Polizei nicht erwischt zu werden. Denn das ist unangenehm und teuer. Ich habe vor vielen Jahren mal vier Freunde in einem kleinen Peugeot nach Hause gefahren. Ich hatte auf unserem Freestyle-Cypher in der Greifswalderstraße vielleicht fünf Cola-Rum, zwei Bier und drei Sekt getrunken, an den wandernden Joints gezogen und am Ende des Abends, so um 5, 6 Uhr verkündet: »Ich fahr euch alle nach Hause!«
Wir hielten auf dem Weg noch an einer Currybude am Mehringdamm, an der inzwischen mehr Kamerateams von RTL2 drehen, um das authentische Berlin zu zeigen, als dass da Wurstesser stehen. Aber damals noch nicht. Doch als wir dort ankamen war gerade die eine Stunde am Morgen, in der der Laden zu hat und putzt. Egal, wir aßen Falafel um die Ecke und als ich wieder anfuhr, habe ich wohl vergessen, das Licht anzumachen. Keine 500 Meter später stoppte uns ein Streifenwagen in der Bergmannstraße.
»Steigen Sie mal bitte aus«, sagte die Polizistin.
»Ja, klar«, sagte ich und reichte ihr den Führerschein.
»Nein, Sie sollen aussteigen.«
»Ach, so, ja klar.« Ich gab ihr meinen Personalausweis.

Währenddessen zischte mein Kumpel auf dem Beifahrersitz immer wieder: »Darf ich, ich liiiebe Marihuana sagen – darf ich’s sagen?«, denn ich hatte kurz zuvor die Story von Fatih aus Köln erzählt, der mit seinen Kollegen auf irgendeiner Polizeiwache nach Drogen durchsucht und befragt worden war. »Haben Sie BTM dabei?« »BTM?« »Betäubungsmittel.« »Betäubungsmittel?«. Fatih stellte sich blöd. »Na, Drogen? Haben Sie Drogen dabei?« »Was für Drogen denn?« Fatih war die reine Unschuld. »Na, Extacy, Kokain, MDMA«, fing der Polizist an aufzuzählen, »Speed, Marihuana…«, als ihn Fatih jäh unterbrach. »Marihuana? Klar hab ich das genommen. Ich liiiebe Marihuana! Hier, ich hab noch was«, und er kramte in seiner Hosentasche, um ein, zwei Gramm hervorzuholen. »Dat könn’se haben! Isch bin eh discht!« Der Polizist war total perplex. Und Fatih durfte die Wache keine fünf Minuten später als freier Mann verlassen.
»Darf ich, ich liiiebe Marihuana sagen – darf ich’s sagen?«
»Nein, halt’s Maul«, zischte ich zurück.
»Nein, nicht den Personalausweis. Sie sollen jetzt mal bitte aussteigen!«
»Ach, so, ja klar.« Ich kletterte aus dem Auto.
Die Polizistin musterte mich kritisch.
»Fassen Sie sich mal mit dem Finger an die Nase!«
Problemlos tat ich wie mir geheißen.
»Laufen Sie mal bitte hier auf der Linie gerade aus. Ja, gut. Jetzt umdrehen! Und zurück!«
Auch das Laufen gelang mir ohne Stolpern oder Eiern.
»Sie haben ganz rote Augen. Haben Sie gekifft?«
»Nein, nein, ich bin ein bisschen erkältet.«
»Haben Sie was getrunken?«
»Och joa«, sagte ich. »Ein Bier, aber am frühen Abend, das ist lange her.« Ich dachte ein bisschen Wahrheit sei besser als eine starke Lüge. Weit gefehlt.
»Dann müssen Sie jetzt mal bitte blasen.«
Jetzt sprang mein Kumpel – ein Mensch von breiter Statur und hoch gewachsen – um mir beizustehen wie eine Naturgewalt aus dem Wagen. »Was heißt hier Blasen? Der macht jaar nischt! Mein Vater ist Anwalt!« Das war zwar nett und solidarisch von ihm, doch in keinster Weise konstruktiv.
»Alter, ist gut, setz dich wieder rein!«

Die Polizistin wirkte dankbar erleichtert. Sie gab mir ihr Messgerät, in das ich nun blasen musste und ich überlegte fieberhaft, wie die Situation noch zu retten sei. Wenn ich jetzt da rein puste, geben meine Lungenkapillaren den Alkohol der ganzen Cola-Rums und Biere und des Sekts wieder frei. Mir fiel ein, dass Trompeter, Saxophonspieler, die ganzen Bläser halt zuerst aus dem Mund, dann aus dem Nasen- und Halsbereich und zuallerletzt aus den Lungen blasen, dass sie sogar zirkular atmen können. Ich probierte es notgedrungen und untrainiert aus, pustete in diesen grauen Kasten, der wie diese Kinder-Pust-Klaviere aussah, pustete lang und anhaltend, während die Kiste einen Dauerpiepton von sich gab und die Polizistin mich mit »Blasen, blasen« hochengagiert anfeuerte, pustete und pustete. Und was ich soll ich sagen? 0,02 Promille!
Ich weiß, das ist nichts worauf man als Erwachsener stolz sein sollte. Aber es ist doch schwer, es nicht ein kleines bisschen zu sein. Niemand wurde verletzt. Meine Leute kamen alle sicher nach Hause. Und die BZ hatte nichts zu vermelden. Höchstens vielleicht aus Hohenschönhausen.

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