Yaneq hat Probleme mit der Ost-Berliner Polizei und stolpert darüber in ein anekdotenreiches Sinnieren über das deutsche-deutsche Verhältnis zweiundzwanzig Jahre nach dem Mauerfall.
»Es gibt nur noch eine Berliner Polizei«, schlaumierte Polizeikomissar H., nachdem ich ihn gefragt hatte, ob er Ost- oder West-Berliner Polizist sei.
»Nein, da irren Sie sich«, erwiderte ich betont freundlich. »Der West-Berliner Polizist ist schon länger in der Bürgergesellschaft angekommen und weiß, dass man Angelegenheiten auch flexibel handhaben kann, besteht nicht auf der penibelsten Einhaltung jeder noch so kleinen Regel, während der Ost-Berliner Polizist da noch eher analfixiert ist.«POK H. hatte mir gerade ein Bußgeld von 25 Euro aufgebrummt, weil ich in einer Seitenstraße von Berlin-Mitte auf dem Fahrrad telefoniert hatte. Auf die Frage, ob man da nicht mal ein Auge zudrücken könne, die Sache menschlich regeln, ließ er mir eine vierminütige Belehrung zu Teil werden, die ich ertrug, weil ich dachte, damit hätte sich die Sache dann erledigt. Aber Pustekuchen. Nachdem er den Sermon seiner langweiligen Kleinbürger-Didaktik von Regeln an sich und der Gesellschaft im besonderen beendet hatte, nahm er trotzdem meine Personalien auf.
»Wieso das denn jetzt? Ich dachte Sie regeln das menschlich!« »Deswegen habe ich Sie ja gerade auch belehrt. Und jetzt stell ich Ihnen Ihren Bußgeldbescheid aus.«
»Das hätten Sie doch auch gleich tun können! Dann hätte ich mir nicht ihr dröges Gewäsch anhören müssen. Das ist keine 25 Euro wert!« Die Zeit der Diplomatie war vorbei. Eindeutigkeit war gefragt. »Habt ihr denn heute schon mal einen richtigen Gangster gefangen? Einen Dieb, der einer Omma die Handtasche klaut? Oder einen echten Bankräuber? Oder macht ihr nur so Kinkerlitzchen wie Telefon auf Fahrrad?« Kein Kommentar. »Ach so, ihr seid also Kinkerlitzchen-Polizisten!« Ironischerweise konnte der Korintenkacker mit seiner ostigen Regeltreue mir dann trotz dreimaliger Nachfrage nicht mal seinen eigenen Polizeiausweis vorweisen, verstieg sich gar zu der Behauptung, das müsse er nicht als Polizist, bis er dann doch irgendwie einbrach und zugab, den Ausweis im Waffenschrank vergessen zu haben.
So sind sie, die Autoritäts-Fetischisten in Uniform: Inkonsquent in ihrer Doppelmoral.
»Nein, da irren Sie sich«, erwiderte ich betont freundlich. »Der West-Berliner Polizist ist schon länger in der Bürgergesellschaft angekommen und weiß, dass man Angelegenheiten auch flexibel handhaben kann, besteht nicht auf der penibelsten Einhaltung jeder noch so kleinen Regel, während der Ost-Berliner Polizist da noch eher analfixiert ist.«POK H. hatte mir gerade ein Bußgeld von 25 Euro aufgebrummt, weil ich in einer Seitenstraße von Berlin-Mitte auf dem Fahrrad telefoniert hatte. Auf die Frage, ob man da nicht mal ein Auge zudrücken könne, die Sache menschlich regeln, ließ er mir eine vierminütige Belehrung zu Teil werden, die ich ertrug, weil ich dachte, damit hätte sich die Sache dann erledigt. Aber Pustekuchen. Nachdem er den Sermon seiner langweiligen Kleinbürger-Didaktik von Regeln an sich und der Gesellschaft im besonderen beendet hatte, nahm er trotzdem meine Personalien auf.
»Wieso das denn jetzt? Ich dachte Sie regeln das menschlich!« »Deswegen habe ich Sie ja gerade auch belehrt. Und jetzt stell ich Ihnen Ihren Bußgeldbescheid aus.«
»Das hätten Sie doch auch gleich tun können! Dann hätte ich mir nicht ihr dröges Gewäsch anhören müssen. Das ist keine 25 Euro wert!« Die Zeit der Diplomatie war vorbei. Eindeutigkeit war gefragt. »Habt ihr denn heute schon mal einen richtigen Gangster gefangen? Einen Dieb, der einer Omma die Handtasche klaut? Oder einen echten Bankräuber? Oder macht ihr nur so Kinkerlitzchen wie Telefon auf Fahrrad?« Kein Kommentar. »Ach so, ihr seid also Kinkerlitzchen-Polizisten!« Ironischerweise konnte der Korintenkacker mit seiner ostigen Regeltreue mir dann trotz dreimaliger Nachfrage nicht mal seinen eigenen Polizeiausweis vorweisen, verstieg sich gar zu der Behauptung, das müsse er nicht als Polizist, bis er dann doch irgendwie einbrach und zugab, den Ausweis im Waffenschrank vergessen zu haben.
So sind sie, die Autoritäts-Fetischisten in Uniform: Inkonsquent in ihrer Doppelmoral.
»Martin Sonneborn, wir haben die Mauer wieder aufgebaut. Kommen Sie doch rum und machen Wahlwerbung bei uns«, sagte ich neulich ins Telefon und lud den amtierenden Vorsitzenden der sich bei den Berliner Senatswahlen empfehlenden Partei Die Partei ein, in unserem Art Village auf dem Berlin Festival seine Flyer zu verteilen.
Die Partei hatte einige sehr unterstützenswerte Forderungen, zum Beispiel ein Atommüllendlager in Prenzlauer Berg zu errichten. Und eben auch, die Mauer wieder aufzubauen. Wir hatten 200 Meter Leinwände mit aufgesteckter Teppichrolle als Überrollbügel grau gemullert und einigen 20 1A-Urban-Artists als Malgrund übergeben. Und da auch schon Sonneborns alte Zeitung Titanic die Parole »Die ewige Teilung Deutschlands, das bleibt unser Auftrag« ausgegeben hatte, durfte der Mann nicht fehlen. Er kam tatsächlich mit Parteifreunden in grauen Anzügen und ein paar Jungs von KIZ und verteilte Spuckis mit unbestreitbar wahren Aussagen wie »Wowereit ist schwul«. Ich meine die Mauer, Berlins Fluch (die Teilung) und ihr Segen (die Touristenattraktion). Schlimm, dass sie da war, toll, dass noch was übrig ist.
Die Partei hatte einige sehr unterstützenswerte Forderungen, zum Beispiel ein Atommüllendlager in Prenzlauer Berg zu errichten. Und eben auch, die Mauer wieder aufzubauen. Wir hatten 200 Meter Leinwände mit aufgesteckter Teppichrolle als Überrollbügel grau gemullert und einigen 20 1A-Urban-Artists als Malgrund übergeben. Und da auch schon Sonneborns alte Zeitung Titanic die Parole »Die ewige Teilung Deutschlands, das bleibt unser Auftrag« ausgegeben hatte, durfte der Mann nicht fehlen. Er kam tatsächlich mit Parteifreunden in grauen Anzügen und ein paar Jungs von KIZ und verteilte Spuckis mit unbestreitbar wahren Aussagen wie »Wowereit ist schwul«. Ich meine die Mauer, Berlins Fluch (die Teilung) und ihr Segen (die Touristenattraktion). Schlimm, dass sie da war, toll, dass noch was übrig ist.
Wenn es ein Thema gibt, dass alle und jeden nervt und auf dessen Diskussion eigentlich niemand mehr Lust hat, dann ist es das deutsch-deutsche Verhältnis. Treffe ich Ossis sind sie vom Thema genervt und wollen endlich nur nach vorne gucken. Treffe ich Wessis sind sie gelangweilt. Was geht sie das an? Der Ossi Leben hat sich schließlich verändert. Die Wessis hatten vorher schon Nutella, Opel, einigermaßen freie Presse und Arbeitlosigkeit.
Ja, vieles hat sich geändert, eine neue Genration ist wahlberechtigt, die die Teilung nicht persönlich erlebt hat; alles richtig. Aber die Polizei ist immer noch geteilt. Und der gemeine Ossi fährt auf der Autobahn zu langsam auf der linken Spur. Die ist zum Überholen da, nicht zum Vermeiden der Fahrrinnen rechts. Die wurden planiert. Unter Kohl. Alles schick heute. Move over, Rover!
Ja, vieles hat sich geändert, eine neue Genration ist wahlberechtigt, die die Teilung nicht persönlich erlebt hat; alles richtig. Aber die Polizei ist immer noch geteilt. Und der gemeine Ossi fährt auf der Autobahn zu langsam auf der linken Spur. Die ist zum Überholen da, nicht zum Vermeiden der Fahrrinnen rechts. Die wurden planiert. Unter Kohl. Alles schick heute. Move over, Rover!
Das Gegenstück zum Klischees des sich beklagenden, unreifen Jammer-Ossis ist mein Kumpel Conny. Der kommt aus Frankfurt (Oder) und hat 1989 seine 100 Deutsche Mark Begrüßungsgeld nicht in moonwashed Jeans und MC Donalds-Nahrung investiert, sie also dem westlichen Geldkreislauf wieder eingespeist, sondern sie schlicht und ergreifend in Ost-Mark umgetauscht. Damit dürfte er einer der ganz Wenigen seiner Zeit gewesen sein. Ein antizyklisch agierender Finanzjongleur quasi. Der Umtauschkurs war damals 1 zu 7 oder so. Ganze 700 Ost-Mark hat ihm das also eingebracht und die hat er auf seinem verzinsten Sparkonto liegen lassen, bis die sogenannte Wiedervereinigung, die bekanntermaßen vielmehr ein Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes war, bis also die Wiedervereinigung die Währungsunion mit sich brachte und Conny seine Ost Mark 1 zu 1 in D-Mark umtauschte. So hatte er auf einen Schlag mehr als 700 Mark auf dem Konto. Wenn einer verstanden hat, wie der Kapitalismus funktioniert, dann mein Freund.Aber geschäftstüchtig wie Conny nun mal ist, hat er sein Geld danach nicht einfach bloß verprasst, sondern sich damit eine gesicherte Existenz als Drogendealer aufgebaut. Die 700 Mark waren sein Startkapital. Zuerst verkaufte er nur Gras, dann der jungen, hungrigen Raveszene im fernen Osten der Republik auch Extasy-Pillen.
Und der Bedarf war groß. Conny investierte in einen Wachstumsmarkt. Im Osten gab es Neugierde auf und Nachholbedarf in Sachen Drogenkultur. Ich selber tourte Mitte der Neunziger als Merchandiser der Vorgruppe der Ost-Berliner Punkband Die Skeptiker durch die Lande. In Zürich saßen wir auf dem Dach eines komplett besetzten Industriekomplexes und rauchten Joints.
»Jab’s ja nischt«, sagte mir der Gitarrist im breitesten Ost-Berlinerisch und zog am Horn. »Dit holen wir jetzt erst mal richtich nach!« Auch andere in der Band waren gar nicht mehr so Punk, wie sie klangen. Eigentlich waren sie längst Raver und schmissen Pillen. Conny hatte also auf den richtigen Markt gesetzt. Ein unerschlossenes Feld mit großem Wachstumspotential, gewinnträchtig und krisensicher. Soviel Eigeninitiative und freies Unternehmertum hatte Helmut Kohl vor Augen, als er einst die blühenden Landschaften versprach.Neulich auf der Autobahn von Leipzig nach Berlin, ich saß mit DAG, Hype und B.Side auf dem Rückweg von der Party Arty in Erfurt im Stau, als wir an so einem orangen Pritschenwagen der Autobahnmeisterei vorbeifuhren. Auf dem Heck-Aufkleber stand: »Wir helfen mit beim Aufbau West!« Sich vorzustellen, wie sich der Kleinbürger aus Wanne-Eickel mit rotem Kopf über soviel Unverfrorenheit echauffiert, war all zu schön.
Und der Bedarf war groß. Conny investierte in einen Wachstumsmarkt. Im Osten gab es Neugierde auf und Nachholbedarf in Sachen Drogenkultur. Ich selber tourte Mitte der Neunziger als Merchandiser der Vorgruppe der Ost-Berliner Punkband Die Skeptiker durch die Lande. In Zürich saßen wir auf dem Dach eines komplett besetzten Industriekomplexes und rauchten Joints.
»Jab’s ja nischt«, sagte mir der Gitarrist im breitesten Ost-Berlinerisch und zog am Horn. »Dit holen wir jetzt erst mal richtich nach!« Auch andere in der Band waren gar nicht mehr so Punk, wie sie klangen. Eigentlich waren sie längst Raver und schmissen Pillen. Conny hatte also auf den richtigen Markt gesetzt. Ein unerschlossenes Feld mit großem Wachstumspotential, gewinnträchtig und krisensicher. Soviel Eigeninitiative und freies Unternehmertum hatte Helmut Kohl vor Augen, als er einst die blühenden Landschaften versprach.Neulich auf der Autobahn von Leipzig nach Berlin, ich saß mit DAG, Hype und B.Side auf dem Rückweg von der Party Arty in Erfurt im Stau, als wir an so einem orangen Pritschenwagen der Autobahnmeisterei vorbeifuhren. Auf dem Heck-Aufkleber stand: »Wir helfen mit beim Aufbau West!« Sich vorzustellen, wie sich der Kleinbürger aus Wanne-Eickel mit rotem Kopf über soviel Unverfrorenheit echauffiert, war all zu schön.