Brasilien war schon immer ein Versprechen, ein »Land der Zukunft«. Frühe Kolonisatoren, Glücksritter, Arbeitsmigranten, Geflohene, Backpackende aller Länder wussten, da gibt’s was zu holen: Bodenschätze, Lebenserfahrungen, Wildnis und saftige Tropenfrüchte. Als die Tupi lange vor der Ankunft der Europäer aus der entgegengesetzten Richtung, aus dem Westen nach »Pindorama« wanderten, ins »Land der Palmen«, hofften sie dort eine »Welt ohne Übel« zu finden: Fruchtbarkeit, Überfluss, langes Leben. Endlich könnten sie sich auf’s Wesentliche konzentrieren: auf die beschleunigte Zirkulation der Zeichen, auf die permanente Bastelei an der eigenen Nicht-Identität. So geht auch Jan Brokofs »Pindorama« zu Werke. Es hält, was der Titel verspricht. Furchtlos und leichtfüßig verschieben und verflechten die Collagen die Imaginarien der europäischen Kolonisatoren mit zeitgenössischen und nicht-europäischen Perspektiven. In den Collagen ist ein offenes Spiel der Perspektiven angelegt, das durch die vielstimmigen Interventionen noch potenziert wird: Jedes Bild wird von einer anderen, kommentierenden Stimme begleitet, von Menschen mit ganz unterschiedlichen Perspektiven und Hintergründen. So erneuert das Künstlerbuch eine Tradition der ästhetischen Demokratisierung, die im Brasilien der 1920er Jahre auf den Namen »Anthropophagie« getauft wurde.
Oliver Precht
Künstlerbuch „Pindorama“
56 Seiten, 27,5 cm x 19,8 cm, Risoprint mit 20 handeingeklebten farbigen Abildungen, Cover Siebdruck
Konzept: Jan Brokof, Design: DWA, Coverdruck Priebu 18
Publiziert im SALZ-Verlag,
Auflage: 100 Exemplare ( nummeriert und signiert )