Anina Brisolla reflektiert in ihrer Ausstellung großformatiger Zeichnungen Ordnungsstrukturen, Deutungshoheiten und Machtgefüge der großen Tech-Unternehmen.
Das altiranische Wort pairi daēza bedeutet ‚eingezäunte Fläche‘, der Begriff Paradies geht auf diesen Ursprung zurück. Das Paradies ist der Ort, wo die Menschen zu Anfang ihrer Existenz im Glück gelebt haben, bis sie wegen ihres Sündenfalls daraus verbannt wurden.[1]
Die Vorstellung des Paradieses ist also die eines umzäunten Raumes, dessen Grenzen uns schützen, so lange wir nicht gegen bestehende Regeln verstoßen.
Weltweit nutzen über drei Milliarden Menschen einige wenige soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram, Youtube oder Twitter. Diese Plattformen scheinen in der Lage die ganze Welt abzubilden, Nutzer zu vernetzen und dabei behilflich zu sein, einen Weg durch das Dickicht der Informationen zu finden.
Tatsächlich befinden wir uns jedoch in einem „walled garden“[2], einem kontrollierten privatwirtschaftlichen Raum: Jede Bewegung des Nutzers kann datentechnisch und damit wertbringend abgeschöpft werden.
Nicht nur soziale Netzwerke werden nach diesem Prinzip gestaltet, auch der Rest der Big five[3] ummauert seine Gärten auf diese Weise.
Wir bewegen uns fortwährend in Paradiessimulationen, Zeit diese genauer zu betrachten.
Anina Brisolla reflektiert in ihrer Ausstellung bei KanyaKage Ordnungsstrukturen, Deutungshoheiten und Machtgefüge der großen Tech-Unternehmen.
In ihrer für den Ausstellungsraum konzipierten Installation nimmt sie Bezug auf die sozial-technologischen Prozesse der Digitalisierung. Dabei macht sie abstrakte Vorgänge in großformatigen Zeichnungen und Objekten sinnlich erfahrbar.
„big data business_analog/delete“ ist eine Serie von Zeichnungen, die einige der Akteure in der Tradition eines Herrscherbildes als Halbfigur darstellen. Brisolla zeichnet hierfür mit Tintenlöscher auf Tinte. Dadurch entsteht ein Schatten- oder Geisterbild der Mächtigen. Die Unsichtbarkeit der Akteure des Geschäftsmodells Big Data und das daraus erwachsende gesellschaftliche Ungleichgewicht eines Überwachungskapitalismus, werden auf diese Weise formal in Beziehung gesetzt.
Daten sind zum Betriebs- und Rohstoff unserer wissensbasierten Ökonomien geworden, und damit wirtschaftlich eine hochbegehrte Ressource, aber hinter Daten stehen Menschen.
Und Menschen haben immer eine Wahl.
[1] Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Paradies)
[2] Ein „walled garden“ ist eine geschlossene Plattform, die der Hersteller mit Restriktionen versehen hat. Die Unternehmen implementieren ihrem Produkt zusätzliche Funktionen und Services, so dass der Nutzer das System (den Garten) idealerweise nicht mehr zu verlassen braucht.
[3] Amazon, Apple, Facebook, Google und Microsoft. Siehe auch: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/internet-konzerne-freunde-oder-feinde-1.4080496
ÜBER DIE KÜNSTLERIN
Anina Brisolla hat Bildende Kunst in den Niederlanden und an der School of Visual Arts in New York studiert. Ihre Arbeiten zeigte sie zuletzt in Soloshows bei SMAC und Blake & Vargas in Berlin und in Gruppenausstellungen im Centre for Contemporary Arts in Glasgow, im Berliner Radialsystem und in der Kunsthalle Exnergasse in Wien.
Gerade hat sie unter dem Titel ‚in/visible‘ eine Ausstellung im Schau Fenster in Berlin kuratiert.
Anina Brisolla lebt und arbeitet in Berlin.
Exhibition from 25.04.2019 – 19.05.2019